Irgendwie weiß ich nicht, was von dieser ganzen Timoschenko-Story halten soll. Aber es schien fast schon so, als sei das schon wieder Schnee von gestern. Ist es vielleicht auch.*
Ich erinnere mich dunkel daran, dass man vor den olympischen Sommerspielen 2008 ein paar kritische Stimmen hören konnte. Ob denn das nicht ein bisschen blöd wäre, wegen der Menschenrechte bzw. deren Nichtbeachtung dort. Klar, war’s das. Aber solche Veranstaltungen werden mit Sicherheit nicht aus humanistischen oder (im engeren Sinne) politischen Gründen an den einen oder den anderen Gastgeber vergeben, sondern aus wirtschaftlichen. Und wenn irgendwas ausfällt, dann auch aus ebensolchen Gründen.
Dass das teuerste Im-Kreis-Fahren der Welt letztes Jahr in Bahrain nicht stattfand, lag nur daran, dass man bei der FIA nicht sicher war, ob die Scheichs die Protestierenden auf ausreichende Distanz würden prügeln lassen können. Da dies dieses Jahr offenbar sichergestellt war, konnten Vettel, Hamilton, Heidfeld usw. wie geplant und auch dort ohne (zusätzliche) Sorgen um ihr Leben oder ihre Motoren das machen, was sie eben machen: sehr schnell im Kreis fahren.**
[img=images/mascotseuro.jpg scale=50% float=right popup=true title=“Ganz schön gruselig, die Euro-Maskottchen, was? / Foto: Rapider2 via WikiCommons / Lizenz: CC by-SA 3.0, Link siehe unten. (Das Kind habe ich unkenntlich gemacht.)“]
Worauf ich aber eigentlich zu sprechen kommen wollte, ist die bevorstehende UEFA Euro 2012, Gastgeberland Ukraine und “der Fall“ Timoschenko. Die Zopfkranz-Julia war nach der sogenannten “orangenen Revolution“ Ministerpräsidentin. Damals erwählten die Verantwortlichen des organisierten Fußballs im Europa die Ukraine gemeinsam mit Nachbarland Polen zum Gastgeber für das Turnier. Eine Entscheidung, die auch damit zusammenhing, so wurde bzw. wird jetzt der Eindruck erweckt, man könne die Demokratisierung dort quasi katalytisch begünstigen und den ehemaligen Vasallen Russlands Richtung EU “kicken.“ Ob diese politischen Gründe wirklich eine Rolle spielten oder überhaupt existierten, sei mal dahingestellt. Falls ja, na dann Prost Mahlzeit! Da ist ja nix mehr von übrig.
Ich muss ja gestehen, dass mein Einblick in die politischen Zustände in der Ukraine eher begrenzt ist, wie es vermutlich bei einem Großteil der deutschen Öffentlichkeit der Fall ist. Trotzdem schien mir die ganze Sache irgendwie fragwürdig. Wissen wir zum Beispiel, ob an den Vorwürfen (Vorteilsnahme bei einem Gas-Deal mit Russland) gegen Timoschenko nicht eventuell was dran ist? Selbst wenn, heißt das nicht, dass sie verdient hätte misshandelt zu werden. Oder überhaupt für mehrere Jahre inhaftiert zu werden. Hat sie aber mit ihrem Hungerstreik um Chefarztbehandlung ihrer Rückenschmerzen die Aufmerksamkeit verdient, die ihr zu Teil wird?
Oder gibt es nicht anderswo zum Beispiel einen blinden Dissidenten, der mit seinem Ausreisegesuch die amerikanisch-chinesischen Verhältnisse belastet? Und damit unabsichtlich entlarvt, wie unwichtig dem Westen die Sache mit den Menschenrechten ist, wenn man in Peking hoch verschuldet ist? Und was ist noch mal in Syrien los? Ja, genau! Da ist „Waffenruhe“ – die hält Herrn Assad aber nach wie vor nicht davon ab, seine Gegner zusammen zu schießen. Das findet bei uns aber nicht mehr so richtig medial statt.
Schon klar, schon klar, ich weiß. Die Tagesthemen sind nur 30 Minuten lang. Und wenn Horst Seehofer oder Leute, die sich für ihn sowas ausdenken, glauben, mit einer Facebook-Party die Internet-Generation für sich und die CSU gewinnen zu können, dann ist das eben wichtiger. Und außerdem wurde ja auch noch gewählt – in Frankreich, Griechenland und in Schleswig-Holstein. Wie das so ist, waren Ukraine und Timoschenko auch schon wieder vergessen, aber jetzt ist da erst mal alles „wieder gut.“ Oder so.
Bild: Wikimedia Commons, Foto: Rapider2. Anonymisierung des Kindes: Ich.
* Fast wäre das hier eine „Verpasste Gelegenheit“ geworden, weil ich da schon seit letzter Woche dran schreibe. Irgendwie ist diesem Umstand auch geschuldet, dass die ganze Sache ein bisschen konfus ist. Sorry.
** Ich habe, wenn es sich auch nicht so anhört, Respekt vor der sportlichen Leistung der Fahrer, kann aber mit einer solchen Energieverschwendung in Zeiten des knapp werdenden Erdöls nicht so viel abgewinnen.